Eine Unterkiefer-Protrusionsschiene kann bei Schnarchen und Atemaussetzern helfen. Seit neuestem ist sie auch eine Kassenleistung der gesetzlichen Krankenkasse– vorausgesetzt, dass andere Therapieoptionen nicht funktioniert haben. Wie die Schiene wirkt und warum es zwingend einen Zahnarzt oder Kieferorthopäden mit fachlichem Know-how braucht.
Das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom, kurz OSAS, ist eine schlafbezogene Atmungsstörung. Dabei erschlafft die Muskulatur im Mund- und Rachenraum. In der Folge kommt es zu einer Verengung oder sogar zu einem kompletten Verschluss der oberen Atemwege. Das führt nicht nur dazu, dass der Patient schnarcht. Der Körper wird außerdem durch das zeitweise Aussetzen der Atmung nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Darauf reagiert das Gehirn mit einer Weckreaktion, die wiederum den Schlaf stört. Alles in allem sind diese nächtlichen Atemaussetzer eine Gefahr für die Gesundheit. Unter anderem erhöhen sie das Risiko für Bluthochdruck, Herzinfarkte und Schlaganfälle massiv. Die Tagesschläfrigkeit bringt ebenfalls negative Folgen mit sich: etwa ein erhöhtes Unfallrisiko oder Konzentrationsstörungen.
Atemaussetzer sollten daher unbedingt behandelt werden. Standard ist Stand heute eine nächtliche Maskenbeatmung, auch Überdrucktherapie oder CPAP genannt. Hier hält ein leichter Überdruck in der Atemluft die Atemwege offen. Relativ viele Patienten kommen jedoch mit dem CPAP-Gerät nicht zurecht und müssen die Therapie abbrechen, z. B. weil sie von der Atemmaske einen Gesichtsausschlag, Gesichtsschmerzen oder auch Panikattacken bekommen. In diesen Fällen kann eine Unterkiefer-Protrusionsschiene (UPS) eine sehr gute Alternative sein.
Die UPS besteht aus zwei Kunststoffschienen, die durch seitliche Stege oder Flügel miteinander verbunden sind. Die Apparatur bewirkt, dass der Unterkiefer und die Zunge während des Schlafs sanft nach vorn gezogen und dort gehalten werden. Die Atemwege werden erweitert und Atemaussetzer somit vermieden. Oft wird die Zahnschiene gegen Schlafapnoe auch als Schnarchschiene, Schnarcherschiene oder Anti-Schnarchschiene bezeichnet.
Angepasst wird eine UPS durch den behandelnden Zahnarzt oder Fachzahnarzt für Kieferorthopädie. Er braucht dafür aber eine Überweisung vom behandelnden Arzt – z.B. vom Hausarzt. Nach vorheriger Abformung oder Scan der Kiefer und Bestimmung der Lage von Ober- zu Unterkiefer wird die Schiene individuell angepasst und im zahntechnischen Labor gefertigt. Zudem sollte die UPS ein Zweischienensystem sein, das durch entsprechende Elemente nachjustierbar und in beiden Kiefern verankert ist. Eine alleinige Schiene im Unterkiefer kann nur bedingt eine Vorwärtsbewegung des Unterkiefers bewirken. Damit die gewünschte Wirkung entstehen kann, muss eine Verbindung zwischen Ober- und Unterkiefer hergestellt werden.
Für die Therapie schlafbezogener Atmungsstörungen und insbesondere des obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms ist Mitte November 2021 eine neue Leitlinie erschienen. Sie gibt Zahnärzten und Kieferorthopäden umfassende Informationen an die Hand. Die von insgesamt neun medizinischen Fachgesellschaften erarbeiteten Empfehlungen beziehen sich auf die Anwendung der Unterkiefer-Protrusionsschiene in der zahnärztlichen Schlafmedizin. Sie stellen sicher, dass erwachsene Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe eine bestmögliche Behandlung mit dieser speziellen Schiene erhalten.
Der (Fach-)Zahnarzt muss dafür sorgen, dass die Unterkiefer-Protrusionsschiene perfekt im Mund sitzt. Um eine hohe Wirksamkeit der Apparatur und ein dauerhaftes Tragen ohne unerwünschte Nebenwirkungen für Zähne, Kiefer und Weichgewebe zu gewährleisten, ist eine sorgfältige Diagnostik erforderlich. Neben der spezifischen Erhebung der Krankengeschichte gehören dazu die Untersuchung des Mundraums und des Zahnhalteapparats, die Bestimmung der Bisslage in gewohnheitsmäßiger Situation sowie ein funktioneller Befund (Funktionsanalyse) und ein Röntgenbild. Die Diagnostik sollte zwingend von einem entsprechend ausgebildeten Zahnarzt oder Kieferorthopäden durchgeführt werden.
UPS werden bei Erwachsenen übrigens seit vielen Jahren erfolgreich eingesetzt. Und das nicht nur zur Behandlung des obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms, sondern auch zur Schnarchtherapie. In manchen Fällen kann sich ihr Einsatz sogar positiv auf die Kiefermuskulatur sowie die Kiefergelenke auswirken. Somit können sie auch bei craniomandibulären Dysfunktionen (CMD) – also Fehlfunktionen im Bereich des Kiefergelenks – zum Einsatz kommen.
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