Die Entwicklung des menschlichen Gebisses ist eine spannende Sache – vor allem während des Zahnwechsels, wenn die Milchzähne den bleibenden Zähnen weichen. Bei den meisten geschieht das ohne Probleme. In manchen Fällen kann es aber passieren, dass einzelne Zähne an falscher Stelle oder gar nicht durchbrechen wollen.
Wenn ein bleibender Zahn auch eineinhalb Jahre nach der normalen Durchbruchszeit noch teilweise oder vollständig im Kiefer verharrt, spricht man von einem retinierten (=festgehaltenen) oder impaktierten (=eingeklemmten) Zahn. Häufig sucht sich der Zahn dann einen anderen Platz im Kiefer, bricht entweder gar nicht oder in eine falsche Richtung durch.
Am häufigsten sind Weisheitszähne von einer Retention und Verlagerung betroffen. Aber auch Eckzähne, die zweiten kleinen Backenzähne oder Schneidezähne können betroffen sein. Schaut man insbesondere auf die Eckzähne, wird die weltweite Rate von Verlagerungen mit ein bis drei Prozent angegeben. Dabei sind Frauen häufiger als Männer betroffen.
Das sind die möglichen Ursachen:
Für retinierte und impaktierte Zähne gibt es verschiedene Ursachen. Wie bei allen Fehlentwicklungen von Zahnstellung und Bisslage spielen genetische Faktoren und Umweltaspekte eine Rolle. Vor allem Platzprobleme, eine gestörte Koordination während des Zahndurchbruchs sowie Traumata (z. B. durch einen Unfall mit Schädigung der Zähne), sind dafür verantwortlich, dass ein Zahn im Kiefer bleibt oder sich verlagert.
Verharren Zähne nicht nur im Knochen, sondern sind zusätzlich auch verlagert, werden sie durch zwei Faktoren in Abhängigkeit von ihrer Lage unterschieden:
Bleiben diese retinierten Zähne unbehandelt, kann es zu weitreichenden Störungen der Gebissentwicklung mit Fehlstellungen von Zähnen und Kiefern führen. Retinierte Zähne können schief im Knochen liegen und durch ihre Verlagerung Druck auf die Wurzeln der Nachbarzähne ausüben. Das ist ein unangenehmes Gefühl und kann zu Schädigungen der Wurzeln der benachbarten führen. Auch der ästhetische Aspekt sollte bei retinierten Zähnen nicht vergessen werden. Oft fallen die Milchzähne bei verlagerten Zähnen nicht aus und so kann z.B. ein Milcheckzahn lange unbemerkt in der Zahnreihe verbleiben, bis der Größenunterschied zu den bleibenden Nachbarzähnen auffällt.
Eine frühzeitige Diagnose ist wichtig, um die richtigen Therapieschritte einleiten zu können . So kann der Fachzahnarzt für Kieferorthopädie mithilfe von Röntgenbildern die Lage des betreffenden Zahns beurteilen und erkennen, ob eine Durchbruchsstörung vorliegt. In bestimmten Fällen, z. B. wenn ein operativer Eingriff zur Freilegung eines Zahnes erforderlich ist, kann zusätzlich eine dreidimensionale Volumentomografie (DVT) gemacht werden. Damit kann die Lage exakt diagnostiziert werden.
Retinierte und verlagerte Zähne können durch kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen in den Zahnbogen eingeordnet werden. Ob die Therapie erfolgreich ist, hängt dabei auch vom Alter des Patienten ab. Gerade aus diesem Grund ist eine frühzeitige Diagnose umso wichtiger.
Wenn die Ausgangslage des retinierten Zahnes günstig ist, d.h. die Zahnwurzel parallel zu den Nachbarzähnen steht, dann reicht häufig ein “Platzschaffen” aus. Das geschieht mittels einer Zahnspange. Ob eine aktive Platte, eine Gaumennahterweiterungs--Apparatur (GNE), Aligner oder eine feste Zahnspange zum Einsatz kommen, entscheidet der Kieferorthopäde anhand des Befundes.
Spätestens wenn ausreichend Platz für den verlagerten bzw. retinierten Zahn geschaffen wurde, muss der verbliebene Milchzahn entfernt werden. Der Milchzahn kann den Durchbruch zusätzlich behindern, da seine Wurzel von seinem Nachfolger nicht ausreichend resorbiert, d.h. abgebaut wird. Sollte es nicht zu einer Spontaneinstellung des Nachfolgers kommen, muss die Zahnkrone freigelegt werden. Das bedeutet, dass die Schleimhaut und der Knochen über dem verlagerten Zahn entfernt werden, damit ein Knöpfchen oder Bracket auf der freigelegten Zahnkrone befestigt werden kann. An dem geklebten Knöpfchen oder Bracket wird ein Goldkettchen oder eine Gummikette befestigt. Durch regelmäßige Aktivierung wird der Zahn in Richtung Zahnreihe bewegt. Wenn der Zahn bzw. die Wurzel ungünstig gedreht ist, kann dieses Verfahren recht langwierig sein, da der Zahn langsam in mehreren Dimensionen positioniert werden muss.
Eine Alternative zur klassischen Zahnfreilegung mit anschließendem Zug zur Einordnung, ist die autogene Transplantation von verlagerten Zähnen. Im ersten Schritt muss ebenfalls ausreichend Platz zur Einordnung des verlagerten Zahnes geschaffen werden, was meist mit einer festen Zahnspange geschieht. Im zweiten Schritt wird vom Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgen oder Oralchirurgen der verlagerte Zahn komplett freigelegt und vorsichtig in die richtige Position transplantiert. Danach wird der Zahn durch die Einbindung in die feste Zahnspange geschient und kann an seinem neuen Ort einwachsen. Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt bei jugendlichen Zähnen ca. 90 Prozent, bei ausgewachsenen Zähnen etwa 82 Prozent. Durch die autogene Transplantation von verlagerten Zähnen können lange Behandlungszeiten und aufwendige mechanische Apparaturen zur Einordnung verlagerter Zähne vermieden werden. Nur in seltenen Fällen ist eine chirurgische Entfernung des Zahnes notwendig.
Das Verfahren der autogenen Transplantation (autogene TX) kann auch zur Transplantation von Weisheitszähnen oder anderen Zähnen erfolgreich angewendet werden, wenn z.B. der Nachfolger durch eine Nichtanlage oder ein Trauma fehlt.
Grundsätzlich gilt: Für jeden Schwierigkeitsgrad im Bereich der retinierten und impaktierten Zähne gibt es eine Behandlungsmöglichkeit. Eine frühzeitige Diagnose ist dabei entscheidend für den Therapieerfolg.
Quellen: