Wenn Kinder häufig durch den Mund statt durch die Nase atmen, sollten Eltern die Ursache abklären lassen. Denn regelmäßige Mundatmung kann nicht nur zu einer deutlich höheren Anfälligkeit für HNO-Infekte führen, sondern auch zu Störungen der Gebissentwicklung. Ein zu schmaler Oberkiefer, Platzmangel sowie Fehlbisse können die Folgen sein.
Nicht selten stellen HNO-Ärzte bei Kindern vergrößerte Polypen oder Gaumenmandeln fest. Sie verengen den Atemweg durch die Nase und führen dazu, dass die Kleinen häufiger oder dauerhaft durch den Mund atmen. Eine Reaktion, die auf Dauer nicht folgenlos bleibt. So drückt die Zunge bei Mundatmung während des Schluckens nicht mehr gegen den Gaumen. Stattdessen liegt sie schlaff im Mundboden.
Bleibt der wachstumsstimulierende Druck der Zunge gegen das Gaumengewölbe also aus, gerät die natürliche Entwicklung des Gebisses aus dem Gleichgewicht. Der Oberkiefer wird in seiner Breitenentwicklung eingeschränkt und bleibt im Verhältnis zum Unterkiefer zu schmal. In der Konsequenz entsteht im oberen Zahnbogen ein Platzmangel. Dieser macht sich beim Übergang vom Milch- zum bleibenden Gebiss beispielsweise durch Kreuzbisse, offene Bisse oder die Entwicklung einer Progenie (Unterkiefer-Vorbiss) bemerkbar.
Engstände im oberen, aber auch unteren Zahnbogen gehören zu den häufigsten von Kieferorthopäden diagnostizierten Fehlstellungen. So wiesen laut einer Studie mit mehr als 1000 Schulkindern im Alter von acht bis neun Jahren mehr als die Hälfte (53,4 Prozent) einen Platzmangel in den Zahnbögen auf.
Zeichnen sich bereits frühzeitig Fehlentwicklungen von Zähnen und Kiefern ab, die auf einen Schmalkiefer zurückzuführen sind, sollte rechtzeitig gehandelt werden. Der Kieferorthopäde kann hierbei die Gaumennahterweiterung (GNE) als therapeutische Methode zur Verbreiterung des Oberkiefers einsetzen. Da die in der Oberkiefermitte verlaufende Knochennaht erst ab dem 17. Lebensjahr verknöchert, kann sie während des Wachstums mithilfe einer speziellen Behandlungsapparatur schrittweise geöffnet werden. Dadurch wird nicht nur Platz im oberen Zahnbogen geschaffen, sondern der gesamte Nasenraum vergrößert und so die Luftpassage durch die Nase verbessert. Bei diesem Verfahren normalisieren sich die Lage der Zunge sowie der Schluckvorgang, die Nasenatmung setzt wieder ein. Die Gaumennaht wächst anschließend von allein wieder zu.
Die angewöhnte Mundatmung (habituelle Mundatmung) muss abtrainiert werden. Deshalb sollte zusätzlich nach der GNE aktiv ein Training absolviert werden, um die Nasenatmung zu unterstützen und den habituellen Lippenschluss mit einer regelrechten Zungenruhelage am Gaumen zu trainieren.
Eine frühzeitige kieferorthopädische Diagnostik und Korrektur des Oberkiefers im Rahmen einer Frühbehandlung erlaubt den problemlosen Durchbruch der bleibenden Zähne und vermeidet zudem ein späteres Ziehen von Zähnen aufgrund von zu wenig Platz im Kiefer.
Die für die Gaumennahterweiterung verwendeten Apparaturen können in ihrem Design variieren. Welches GNE-Gerät letztlich zum Einsatz kommt, hängt vor allem von Alter und Wachstumsfortschritt des Patienten ab. Im Milch- oder dem frühen Wechselgebiss werden zur forcierten Gaumennahterweiterung meist einzementierte Kappen-GNE-Apparaturen (siehe Bild 1) mit integrierter Dehnschraube eingesetzt. Das klassische GNE-Gerät (Bild 2) hingegen wird mithilfe von Metallbändern an den Milchbackenzähnen und Milcheckzähnen oder den bleibenden ersten kleinen und bleibenden ersten großen Backenzähnen befestigt. Von diesen Bändern führen Metallarme zur Dehnschraube, die sich auch hier in der Gaumenmitte befindet.
Oft wird zusätzlich im Unterkiefer eine herausnehmbare Aufbiss-Platte eingesetzt.
Durch Aktivieren der Expansionsschraube wird die Gaumennaht gedehnt und schließlich eröffnet. Dies geschieht bereits binnen weniger Tage oder Wochen – je nachdem, wie oft die Schraube pro Tag weitergedreht wird. Der Kieferorthopäde bestimmt das exakte Stellintervall und überwacht den Weitungsprozess durch engmaschige Kontrolltermine, bis eine sichtbare Lücke zwischen den oberen Schneidezähnen entsteht.
Zur Stabilisierung verbleibt die Apparatur noch einige Monate passiv im Mund. Der Kieferorthopäde entscheidet über das weitere Vorgehen, z.B. ob parallel eine logopädische Therapie zum Training des Lippenschlusses erfolgen soll. Die Zungenlage kann erst nach Entfernung der GNE umtrainiert werden. Ebenso kann die GNE-Apparatur bei entsprechender Indikation mit anderen KFO-Geräten kombiniert werden (z. B. Delaire-Maske).
Eine gängige Alternative zur zahnverankerten Apparatur sind bei Jugendlichen im fortgeschrittenem Wachstum Hybrid-GNE-Geräte. Sie werden durch Metallbänder an den bleibenden Backenzähnen sowie Minischrauben fixiert, die im vorderen Gaumen eingebracht werden. Darüber hinaus gibt es rein skelettal getragene Apparaturen, die gänzlich ohne dentale Abstützung auskommen und allein durch Minischrauben befestigt werden. Oft kommen auch digitale geplante und im 3D-Druck hergestellte Apparaturen zum Einsatz.
Bei Erwachsenen mit abgeschlossenem Wachstum kann die Dehnung der Gaumennaht im Normalfall nur noch chirurgisch unterstützt erfolgen. Dabei setzt der Kieferchirurg während eines operativen Eingriffs unter Vollnarkose die GNE-Apparatur ein, die auch hier bis zur Erreichung der benötigten Oberkieferbreite regelmäßig geschraubt werden muss.
Statt einer Gaumennahterweiterung kann alternativ auch eine weniger invasive Behandlung zur Anwendung kommen. So kann der Kieferorthopäde versuchen, während des Wachstums mithilfe aktiver Platten (mit Expansionsschraube) oder einer Quadhelix-Apparatur (Metallfeder statt Dehnschraube) eine transversale Nachentwicklung des zu schmalen Oberkiefers zu erreichen. Bei Jugendlichen und Erwachsenen bietet sich der Einsatz von Bracket- oder Alignerapparaturen zur Zahnbogenerweiterung und Platzbeschaffung an.
Quellen: