Sicher sind sie auch Ihnen schon begegnet: durchsichtige Zahnschienen, die im Fernsehen, im Internet und auf Social Media beworben werden. Es scheint, als hätte die Beauty-Industrie gerade einen neuen Trend entwickelt. Dabei werden Aligner zur Zahnkorrektur von Kieferorthopäden schon seit Jahrzehnten eingesetzt – allerdings mit anderen Behandlungszielen und deutlich mehr Möglichkeiten.
Sind Aligner wirklich neu?
Aligner-Startups werben zwar mit dem Slogan "Das Original". Aber das stimmt nicht: Kieferorthopäden nutzen die transparenten Schienen schon lange als Alternative zu festsitzenden Zahnspangen und wägen die Vor- und Nachteile der Behandlungsmethoden gegeneinander ab. Ein regelrechter Aligner-Boom hat sich seit den 2000er Jahren von den USA aus entwickelt. Heute werden sie vor allem von Startups vermarktet, die als Zielgruppe für die "fast unsichtbare" Zahnbegradigung vor allem 20- bis 35-Jährige ins Visier genommen haben. Diese haben meist keinen Anspruch auf eine kieferorthopädische Therapie als Kassenleistung, die ab 18 nur in wenigen Ausnahmefällen übernommen wird. Dementsprechend wird auch das Angebot gestaltet und kommuniziert: Einfach, schnell und günstig soll die Behandlung sein. Oder mit den Worten der Werbung: "ab 33 Euro im Monat".
Als Erwachsener eine festsitzende Zahnspange tragen – dazu kann sich nicht jeder durchringen. Die transparenten, herausnehmbaren Schienen scheinen da eine bequeme Alternative zu sein. Die tägliche Zahnputzroutine kann problemlos beibehalten werden. Und auch der Tragekomfort ist gegenüber einer festen Spange und insbesondere innerhalb der ersten drei Behandlungsmonate oft höher.
Hinter dem Aligner-Hype steckt aber noch etwas anderes: die erhöhte Aufmerksamkeit, die sie vor allem in den sozialen Medien erhalten. So gaben bereits in einer Studie aus dem Jahr 2018 ganze 73 Prozent der Patienten an, im Vorfeld der Behandlung Informationen und Werbung zu Aligner-Behandlungen über Social Media und das Internet erhalten zu haben. Seit 2019 bewerben Startups die Zahnschienen noch intensiver, um sie aus ihrem angeblichen "Nischendasein" zu befreien und noch mehr Patienten von ihren Vorteilen zu überzeugen.
Um ihr Produkt zu promoten, arbeiten Aligner-Startups verstärkt mit Influencern zusammen. Zum Beispiel mit Bonnie Strange, die die Zahnbehandlung von der Badewanne aus auf Instagram empfiehlt.
Für welche Zahnfehlstellungen sind Aligner geeignet?
Aber haben festsitzende Zahnspangen nun tatsächlich ausgedient? Ganz so einfach ist es leider nicht. Dass Aligner alles andere als eine Universallösung sind, zeigt die 2010 veröffentlichte Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie (DGKFO), die die Haupteinsatzgebiete von Alignern nennt: ein moderater Eng- und Lückenstand der Schneidezähne sowie nach vorne oder nach hinten gekippte Schneidezähne. Schon bei geringfügigen Bewegungen, die den Zahn aus oder in den Knochen bewegen sollen, werden sogenannte Attachments empfohlen: auf den Zahn aufgeklebte biomechanische Haltepunkte aus zahnfarbenem Kunststoff, an denen der Aligner sich festhalten kann.
In der Hand des erfahrenen Fachzahnarztes für Kieferorthopädie können die transparenten Schienen auch bedingt zur Durchführung wesentlich komplexerer Zahnbewegungen eingesetzt werden: Zähne können gedreht, geschoben und gezogen werden. Meist sind für die Bewegung von Eckzähnen und kleinen Backenzähnen bereits wesentlich aufwändigere und hochwertigere Alignerprodukte zu verwenden als beim reinen "Kippen" der Frontzähne. Welche Methode für welche Korrektur geeignet ist, kann letztlich nur ein Experte beurteilen.
In Deutschland gibt es viele Fachzahnärzte für Kieferorthopädie, die sich seit Jahren auf Aligner-Behandlungen fokussiert haben und auch sehr komplexe Zahnfehlstellungen mit Hilfe von Alignern und anderen Hilfsmitteln behandeln können. In Kombination mit anderen, zum Teil festsitzenden Apparaturen können die Zahnschienen somit bei nahezu allen kieferorthopädischen Anomalien zur Lösung wenigstens von Teilaufgaben ergänzend eingesetzt werden. Es gibt quasi keine Kontraindikationen für diese Behandlungssysteme.
Worin liegt nun genau der Unterschied zwischen den überall beworbenen "günstigen" und "schnellen" Aligner-Behandlungen und der Behandlung beim Kieferorthopäden? Die Antwort: Ziel und Umfang der angebotenen Therapien sind völlig verschieden.
Während erstere meist kosmetisch motiviert ist und sich auf kleinere ästhetische Fehlstellungen im Frontzahnbereich konzentriert, hat eine kieferorthopädische Fachzahnarztbehandlung auch eine Verbesserung des Bisses und der Funktion zum Ziel bzw. kann die verschiedenen Behandlungsalternativen gegeneinander abwägen.
Die weniger aufwändigen Therapien sind in der Regel deutlich günstiger. Kein Wunder – sie lassen ja auch bewusst die Stellung der Backenzähne außer Acht. Dadurch ist aber auch das Einsatzgebiet stark begrenzt. Es sind keine komplexen Zahnbewegungen möglich, es muss genügend Platz im Frontzahnbereich vorhanden sein, das Aufeinanderbeißen der Backenzähne kann nicht gezielt korrigiert werden. Man muss sich daher klarmachen: Eine kosmetisch motivierte Behandlung ist keine Alternative zu einer konventionellen kieferorthopädischen Therapie beim Fachzahnarzt.
Auch wenn der Patient nur eine "kosmetische" Korrektur wünscht, behandeln Kieferorthopäden immer ganzheitlich. Denn: Jede Zahnbewegung stellt eine (zahn)medizinische Therapie dar und kann die Funktion nachhaltig beeinflussen. Deshalb muss eine vollständige Diagnostik mit Röntgenbildern, Untersuchungen der Kiefergelenke, des Zahnhalteapparates sowie der Funktion von Lippenschluss, Zunge und Atmung durchgeführt werden, bevor ein individuelles medizinisches Therapiekonzept erstellt werden kann. Dieses wird anschließend im Detail mit dem Patienten besprochen, sodass Vor- und Nachteile klar erkennbar sind. Nur der Fachzahnarzt kann die Alternativen überblicken und kompetent beraten, da er Erfahrung mit den verschiedenen Behandlungstechniken hat.
Entschließt sich der Patient dann bewusst zu einer weniger aufwändigen Therapie, ist es auch die Aufgabe des Kieferorthopäden, ihm die Folgen klar zu kommunizieren: Was bedeutet eine eher oberflächliche Behandlung für das Behandlungsergebnis? Und welche Kompromisse geht man damit ein? Das alles muss klar abgesprochen sein, damit keine falschen Erwartungen aufkommen und der Patient am Ende zufrieden ist.
Für eine ganzheitliche Aligner-Therapie, die nicht nur auf oberflächliche Kosmetik abzielt, sondern das gesamte Gebiss einschließlich funktioneller Aspekte und ein langfristig zufriedenstellendes Ergebnis im Blick hat, ist somit der Fachzahnarzt für Kieferorthopädie der richtige Ansprechpartner.
Von der ausgewogenen Information über Diagnostik, ergänzende Methoden und regelmäßige Kontrolle des Therapiefortschritts bis hin zur langfristigen Sicherung des Ergebnisses: Was alles zu einer modernen Aligner-Behandlung in Expertenhand gehört, erfahren Sie in unseren nächsten Artikeln. Also: Bleiben Sie dran!
Quellen: